{"id":689,"date":"2016-03-07T20:14:31","date_gmt":"2016-03-07T19:14:31","guid":{"rendered":"http:\/\/www.florianschwarz.at\/androsch\/?page_id=689"},"modified":"2023-05-01T18:29:30","modified_gmt":"2023-05-01T16:29:30","slug":"phonographie","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/phonographie\/","title":{"rendered":"Phonographie"},"content":{"rendered":"

\n\t
\n\t\t\n\t\t\t

Denn Androschs Werke sind von reiner, grandioser Sch\u00f6nheit. Und starrt man sie lange genug an, dann h\u00f6rt und liest man neu.<\/em>
\nEgbert Tholl in der „S\u00fcddeutschen Zeitung“ zur Ausstellung „Phonographien“ im Historischen Museum Regensburg 2016<\/p>\n

Katalog Peter Androsch Phonographie Historisches Museum Regensburg 2016 [19.8 MB]<\/a><\/span><\/p>\n

Katalog Peter Androsch Phonographisches Panorama St\u00e4dtische Galerie Nova Gorica\u00a0 [5 MB]<\/a><\/span><\/p>\n\n\t<\/div> \n<\/div>

\n\t
\n\t\t\n\t\t\t\n\t<\/div> \n<\/div>
\n\t
\n\t\t\n\t\t\t

Phonographien<\/b> \u2013 wie Peter Androsch seine Klang-Schreibungen nennt\u00a0\u2013 entstehen durch \u00dcberlagerung mehrerer Schichten, so wie ein Klang durch Interferenz von Schallwellen entsteht. Es entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Werkgruppen, die auf unterschiedlichen Ausgangsmaterialien basieren und in unterschiedlichen Verfahren hergestellt werden. Phonographische Portraits<\/b><\/span> Bisher gibt es die Serien „Linzer K\u00f6pfe“, „K\u00e4rntner K\u00f6pfe“ und „K\u00f6pfe aus Ober\u00f6sterreich“ und einzelne Doppel-, Wackel-, R\u00e4tsel- und Trugbilder. Historische Phonographien<\/b><\/span> Diese Arbeiten basieren auf \u00fcberlieferten Handschriften. Musikalische Phonographien<\/b><\/span> Das sind Bilder, die auf musikalischen Manuskripten basieren.<\/p>\n\n\t<\/div> \n<\/div>

\n\t
\n\t\t\n\t\t\t

Die Topographie der Utopie: Erste Theorie<\/h4>\n

Peter Androsch zu seiner phonographischen Welt, 2005<\/h4>\n

„Es gibt eine Neue Musik jenseits ihres Alterns, wenn sie sich ihrem Auftrag der modernen Gesellschaft an die Neue Musik \u00fcberl\u00e4\u00dft: dem unvers\u00f6hnten Individuum eine freie Stimme zu geben.“<\/p>\n

Leo Dorner zu Peter Androsch „Zw\u00f6lf Inventionen f\u00fcr drei Violoncelli“<\/p>\n

Die graphische Abbildung musikalischer Vorg\u00e4nge bildet den zentralen Teil meiner k\u00fcnstlerischen Arbeit. Die Erstellung einer Partitur, das Komponieren in der Form des „Notenschreibens“ – mit einem Stift auf Papier – , stellt seit Jahrhunderten den Alltag des Komponisten dar.<\/p>\n

Immer wieder wurde in Notenbl\u00e4ttern, besonders in Partiturbl\u00e4ttern, auch ein visueller, graphischer Reiz erkannt, der im 20. Jahrhundert zus\u00e4tzliche Bedeutung erhielt. Neuartige Kompositionsmethoden brachten neuartige Notierungs-Methoden und damit neue Erscheinungsformen der geschriebenen Musik. Dodekaphonische, serielle, aleatorische, graphische und andere Kompositionsverfahren geben der Musik neue „Bilder“, lassen sie tats\u00e4chlich anders ausschauen. Komponisten wie Anestis Logothetis betrachteten ihre Partituren explizit als visuelle Kunstwerke. Die Neubewertung geschriebener Musik gr\u00fcndet sich nicht nur auf einem kulminierenden syn\u00e4sthetischen Streben. Sie begleitet vielmehr einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Kunstmusik.<\/p>\n

Ernst Peter Fischer verweist auf die Umwertung wissenschaftlicher Werte zur gleichen Zeit („Die andere Bildung“, 2003). Mehrdeutigkeit, Unstetigkeit, Unsch\u00e4rfe werden wissenschaftliche Kategorien, ja das Verh\u00e4ltnis des Wissenschaftlers zu seinem Objekt stellt sich v\u00f6llig neu dar. Die Natur ist nicht mehr allein das Beobachtete, das Untersuchte: “ … dass man sich in letzter Konsequenz nicht mehr vorstellen darf, dass auf der atomaren B\u00fchne Dinge agieren. Vielmehr treten dort Kreationen unserer Phantasie auf, die wir erschaffen und betrachten. … Der Wissenschaftler entwirft die Natur, die er selbst ist. Er ist natura naturata und natura naturans in einem … “ Die Wissenschaft dringt in einen Bereich vor, der bisher der Kunst vorbehalten war: Nicht nur Natur beschreiben, sondern neue Welten erschaffen.
\nWas hat das mit Musik und der Phonographie zu tun?
\nHier wie dort geht es um die Darstellung des Nicht-Darstellbaren. In beiden F\u00e4llen geht es um das Entwerfen (sic!) von etwas nicht Vorstellbarem. Durch die Erschaffung von Beziehungen und Verh\u00e4ltnissen wird der Raum selbst erschaffen, und damit eine neue Welt. Der Wissenschaftler entwirft etwa die Idee eines Elektrons und definiert Beziehungen und Verh\u00e4ltnisse zwischen den Teilchen. Er kommt nicht mehr weiter mit einer „Verkleinerung“ seiner bisherigen Anschauungen ( – respektive „Vergr\u00f6\u00dferung“, wenn wir an die Astronomie denken). Selbst das Wort „Idee“ f\u00fchrt uns in die Irre, denn es f\u00fchrt sich auf das griechische idein, „sehen“, zur\u00fcck. (Das wiederum verwandt mit dem lat. videre ist.) „Die Wissenschaft vollzog … eine radikale Umwertung ihrer Werte, und zwar sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht. Ihre Vertreter entdeckten – meist gegen den eigenen Willen -, dass es f\u00fcr sie etwas gibt, das unsagbar bleibt.“, schreibt Ernst Peter Fischer weiter.
\nEs liegt in der Natur der Sache, da\u00df Musik unvorstellbar, da\u00df sie unbegreiflich ist. Ihre Welt ist tats\u00e4chlich unfassbar. „Du sollst dir kein Bild machen“ ist f\u00fcr sie Programm. In diesem Sinne nimmt die Musik eine Ausnahmestellung unter den K\u00fcnsten ein. Sie ist die nobelste, – davon bin ich \u00fcberzeugt. In der angewandten Musik – in Kirchenmusik, im Barock, in der sogenannten „Klassischen Musik“, im Walzer, der fr\u00fchen Unterhaltungsmusik, der Volksmusik, der heutigen Popmusik – wird eine Welt entworfen, die der H\u00f6rer kennt. Die Beziehungen, die Verh\u00e4ltnisse in ihr leiten sich ab von Formeln und Figuren in Gespr\u00e4ch und Rede, von Bewegungsabl\u00e4ufen im t\u00e4glichen Leben, von gesellschaftlichen Ritualen, – kurz von der Konvention. Gleichwohl ist schon diese Musik nicht darstellbar.
\nDie Kunstmusik entzieht sich dem Druck des Angewandten. Sie befreit sich vielmehr aus den Zw\u00e4ngen der Konvention.
\nWarum?
\nWeil die Kunstmusik nach dem wahrhaft Menschlichen sucht, die Verfeinerung und Wahrnehmung fordert, um mehr Mensch zu werden.
\nWas l\u00e4\u00dft uns mehr Mensch werden?
\nEtwas, das uns mehr von uns f\u00fchlen, empfinden, verstehen l\u00e4\u00dft. Etwas, das unsere sinnliche F\u00e4higkeit erh\u00f6ht, das uns entdecken l\u00e4\u00dft, was wir (sein) k\u00f6nnen, das uns unser Potenzial erahnen l\u00e4\u00dft.
\nEtwas, das keinen Zweck kennt, etwas das uns des Zwangs enthebt.
\nDaf\u00fcr braucht es neue Beziehungen und Verh\u00e4ltnisse, also Modi und Proportiones, die der Komponist entwirft. Er erschafft eine neue Welt. Eine Klangwelt, einen Nicht-Ort, eine Utopie. Hier gibt es keine Anschauung, keine Vorstellung, sondern Wahr-nehmung (sic!).
\nDie Partitur ist die Sammlung von Gleichungen, die die neue Welt entwirft. Ankn\u00fcpfend an Ernst Peter Fischer brachte der Paradigmenwechsel dem Komponisten eine neue Rolle: In letzter Konsequenz treten in der neuen Welt Kreationen unserer Phantasie auf, die wir erschaffen und betrachten. … Der Komponist entwirft die Natur, die er selbst ist. Er ist natura naturata und natura naturans in einem …<\/p>\n

Somit geht es der Kunstmusik um die Darstellung des Nicht-Darstellbaren.
\nSie ist meta-physisch und ber\u00fchrt die letzten Dinge, – sie ist eschatologisch.
\nAus diesen Gr\u00fcnden gibt es auch kein Handwerk, das sich weitergeben lie\u00dfe. Die Gesetze der neuen Welt sind andere als die der alten.
\nAus den gleichen Gr\u00fcnden ist diese Welt auch nicht handelbar.
\nF\u00fcr den Komponisten ist das Notenblatt wohl das einzige, an dem er sich im wahrsten Sinne des Wortes fest-halten kann. Es besitzt im Gegensatz zum fl\u00fcchtigen Klang Materialit\u00e4t und Kontinuit\u00e4t. Dieser Aspekt spielt in der Entwicklung zur Phonographie eine wichtige Rolle.<\/p>\n

Desgleichen die Handschriftlichkeit. Heute erlangen originale handschriftliche Notenbl\u00e4tter wachsende Aufmerksamkeit, durchaus \u00fcber die Musikwelt hinaus. Sie unterscheiden sich grundlegend von digitalen Verfahren: Sie stellen per se ein zutiefst pers\u00f6nliches Dokument k\u00fcnstlerischer Arbeit dar, repr\u00e4sentieren Individualit\u00e4t und sind Zeugnisse eines personalen Stils.
\nDie handschriftliche Partitur ist die K\u00f6nigin der Notenbl\u00e4tter. In ihrer Vielgestaltigkeit liegt ihre Sch\u00f6nheit. Sie ist quasi ein \u00dcber-Buch, in dem sich der gro\u00dfe Plan genauso findet wie das kleinste Detail. Sie ist Spiegel der Klangtheorie, genauso wie technische Anweisung. Sie ist das Meer der Zeit, in dem die Ereignisse schwimmen. Dies alles findet sich in ihr als eine Unzahl von Verh\u00e4ltnissen, also Proportionen, unter welchen ungez\u00e4hlte (goldene) Schnitte verborgen sind.
\nDie Phonographie verdichtet die Partitur zu einer Textur. Sie schichtet alle Bl\u00e4tter \u00fcbereinander. So wie das Licht als Welle daherkommt und als Teilchen erscheint, ist die Phonographie die Karte einer neuen Welt, eine Utopie, – bestechend durch R\u00e4tselhaftigkeit. Vielgestaltige Gegenden entstehen. Einige von Zechyrscher Dichte*, andere leer und \u00f6d wie das Afrika alter Landkarten („Hic sunt leones!“), andere von durchsichtiger Fragilit\u00e4t.
\nDie Phonographie ist also Weltbeschreibung und Handlungsanleitung in einem. In ihr wohnt der Bauplan einer neuen Welt und gleichzeitig die Anweisung, dorthin zu gelangen.
\nIhre visuelle Intensit\u00e4t spiegelt nicht-visuelle Ordnungskriterien, sie ist meta-graphisch, weil die Ordnungskriterien der Entstehung im Au\u00dfergraphischen liegen, – eben in einer neuen Welt, in den letzten Dingen.
\nDarin gr\u00fcndet sich der \u00e4sthetische Reiz: Das Sch\u00f6ne liegt nicht in dem, was wir kennen,
\nvielmehr in dem, was wir nicht kennen.
\nDie Phonographie ist die Ortsbeschreibung eines Nicht-Ortes,
\ndie Topographie der Utopie.
\n—<\/p>\n

* Othmar Zechyr (* 28. Mai 1938 in Linz; \u2020 13. September 1996 in Linz) war ein \u00f6sterreichischer Maler und Zeichner.<\/p>","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Denn Androschs Werke sind von reiner, grandioser Sch\u00f6nheit. Und starrt man sie lange genug an, dann h\u00f6rt und liest man neu.
\nEgbert Tholl in der „S\u00fcddeutschen Zeitung“ zur Ausstellung „Phonographien“ im Historischen Museum Regensburg 2016<\/p>\n

Katalog Peter Androsch Phonographie Historisches Museum Regensburg 2016 [19.8 MB]<\/p>\n

Katalog Peter Androsch Phonographisches Panorama St\u00e4dtische Galerie Nova Gorica\u00a0 [5 MB]<\/p>\n

Phonographien \u2013 wie Peter Androsch seine Klang-Schreibungen nennt\u00a0\u2013 entstehen durch \u00dcberlagerung mehrerer Schichten, so wie ein Klang durch Interferenz von Schallwellen entsteht. Es entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Werkgruppen, die auf unterschiedlichen Ausgangsmaterialien basieren und in unterschiedlichen Verfahren hergestellt werden. Phonographische Portraits Bisher […]<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":0,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"jetpack_post_was_ever_published":false},"jetpack_sharing_enabled":true,"jetpack_shortlink":"https:\/\/wp.me\/P7eNNM-b7","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/689"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/pages"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/page"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=689"}],"version-history":[{"count":149,"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/689\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":2089,"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/pages\/689\/revisions\/2089"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.peterandrosch.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=689"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}